Irgendetwas geschah um 1995. Ich kann nicht genau erklären, was es war, aber es änderte sich etwas mit dieser Musik. Und das leider nicht zum Positiven. Wenn man zu der Generation gehört, die die frühen Jahre elektronischer Clubmusik um 1992 mitbekommen hat, dann lässt sich das vielleicht nachvollziehen. Im Grunde gab es drei populäre Stilrichtungen: Techno, House und Trance. Die ganzen Subgenres waren noch in der Keimung und britische Hypes wie Hardcore (Breakbeat) oder Jungle auf dem europäischen Festland noch kaum angekommen.
Trance in den Anfangsjahren
Und dieses frühe Trance-Ding hatte etwas an sich. Eine enorme Kreativität voller Überraschungsmomente, die sich durch viele Tracks zog. Hypnotisierend, treibend, euphorisch – und das auch schon ohne Pillen. Sicher, aus heutiger Sicht war auch viel Trash dabei – Sachen, die man niemandem mehr vorspielen möchte. Dennoch bleiben viele Werke des klassischen Trance zeitlos, und die Liste der Klassiker ist so lang, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Wie dem auch sei, der Bruch war ab 1995 immer mehr zu spüren. Während sich Techno kontinuierlich weiter entwickelt hat, wurde aus Trance ein monotoner Einheitsbrei mit simpler Struktur. Schon nach wenigen Sekunden vorhersagbar, kommerziell, lieblos und langweilig. Ein wenig 303-Acid, Claps und Flächen hinzu und fertig war das Retorten-Stück.
Das war dann auch die Zeit, wo ich mich von diesem Genre langsam entfernte. Ab 1997 war Trance dann vollends zum Kirmesgedudel verkommen und ich war ganz raus. Fokussierte mich auf frischere Genres wie Trip-Hop, Drum ’n‘ Bass oder Big Beat. Trance war für mich ab diesem Zeitpunkt schon lange tot und begraben.
… Trance heute?
Heute, gut zwanzig Jahre später. Die frühen Musikrichtungen von damals gibt es noch immer. Techno ist sich relativ treu geblieben, wurde salonfähig, hat dafür allerdings auch ein wenig vom alten Schmutz verloren. House als ältester Vertreter hat sich in seiner reinen Form ebenfalls kaum verändert. Bleibt noch der Dritte im Bunde.
Und ja, Trance gibt es heute auch noch. Wobei eigentlich nur der Name gleich geblieben ist. Was heutzutage als Trance aufgetischt wird, sind wuchtige Beats, Singsang und weichgespülte Synth-Flächen. Sogar noch schlimmer als der Einheitsbrei der späten Neunziger. Zuckersüße Kitschmusik, bei der Zwölfjährige von ersten Küssen träumen. Für die „Generation Clearasil“ bestimmt reizvoll, für meine Generation kaum mehr als ein akustisches Brechmittel.
In the Mix: From a Time when Trance was Fine
Die goldene Ära des Trance ist nun schon lange vorbei. Eine Zeit, wo noch niemand das Genre mit Adjektiven wie uplifting, melodic oder epic verunstaltet hat. Trance in Reinform. Um sich noch einmal musikalisch an diese Zeit zu erinnern, passend dazu der Mix. Mit dem treffenden Titel: „Retrogressive Sessions – From a Time when Trance was Fine.“
- Microwave Prince – Eternal Light [Le Petit Prince 1995]
- Union Jack – Two Full Moons and a Trout [Platipus 1993]
- Art of Trance – Cambodia (Clanger Mix) [Platipus 1993]
- Der Dritte Raum – Aeolus [Harthouse 1995]
- Caunos – Herzsprung [Le Petit Prince 1994]
- Speedy J – Fusion Live [Harthouse 1995]
- Magoo Project – Lowgo [Important 1995]
- Prana – Primal Orbit (Tribal Trance Mix) [Matsuri 1996]
- Lazonby – Sacred Circles [Container 1994]
- Yum Yum – Hypermania [Hyper Hype 1995]
- Jam & Spoon – Right in the Night (Kid Paul Mix) [MFS 1993]
- Plastikman – Krakpot [Plus 8 1993]
- Afrotrance – Spiritual Energy [Harthouse 1994]
- Technossomy – Elektron Bender (Willie Mix) [Platipus 1994]
- The Infinity Project – Telepathy [Spirit Zone 1994]
- Steve Mason – Shallow Grave (Carl Cox Mix) [Hyper Hype 1995]
Ein Kommentar
Als Kind der 90iger mit ausreichend grosser Acid Techno/Trance Vinyl Sammlung kann ich dir mit dem ersten Satz nur Recht geben. Etwas hatte sich geändert und man kann das an meiner Vinyl Sammlung sehen. 75% meiner Platten sind von 93+94, der Rest ist 92,95-02. Ich kann dir in dem Zusammenhang das Buch von Marcel Feiges „Deep into Techno“ empfehlen. Er zeigt, dass ab 94/95 kommerzielle Interessen die deutsche Szene trieben.