War es früher Ehrensache, sich am Mittagstisch an einer selber zubereiteten Mahlzeit zu erfreuen, schaut es heute oft anders aus. Fertiggerichte sind gefragt. Und das seit mehr als 60 Jahren. Inzwischen geht der Trend zwar zu höherwertiger „Bequemnahrung”, die nicht mehr den Industriegeruch von pampigem Tiefkühlfraß der Siebziger und Achtziger mit sich bringt. Dennoch: Es ist nicht alles Gold, was glänzend verpackt ist. Und Kochen kann man sehr wohl auch selber in die Hand nehmen. Längst nicht so schwierig, wie manche denken mögen. Man braucht auch kein Hochschuldiplom, um mit wenig Zeit- und Geldeinsatz ein Essen zu servieren, das seinen Namen verdient. Vermutlich sind es weniger die zwei linken Hände zum Halten des Kochlöffels, die Leute davon abhalten, sondern eher der Mangel an Lust und Zeit. Kombiniert mit der fixen Überzeugung, dass Konfektioniertes gleichwertig sei. Dabei verbringt man im Schnitt mehr als drei Jahre seines Lebens mit der Nahrungsaufnahme. Und die Hälfte davon dann nochmal auf der Keramik. Klingt doch nach einem Grund, diesem täglichen Ritual auch die angemessene Hingabe zu widmen.
Kulinarische Bequemlichkeit ist längst keine Erfindung der letzten Jahrzehnte. So kam bereits 1958 mit „Ravioli in Tomatensauce” das erste Fertiggericht in Deutschland auf den Markt. Dose öffnen, heiß machen und der letzte Italienurlaub war zurück im Gedächtnis. Ob das, was auf dem Teller landete, wirklich mit dem zu vergleichen war, was die Eltern der Wirtschaftswundergeneration kurz zuvor an der Riviera frisch serviert bekamen, bleibt mal dahingestellt. Relevant ist, dass man diese Zeit ebenso als kulinarischen Wendepunkt bezeichnen könnte. Kaufkraft und Konsum erblühten wieder, und die Industrie spürte das Potenzial (besser gesagt das Kleingeld, das man Leuten aus der Tasche ziehen kann), wenn die lästige Zubereitung von Nahrungsmitteln beschleunigt und vereinfacht wird. In den folgenden Jahrzehnten wurde dann das real, was im Louis de Funès Klassiker „Brust oder Keule” (1976) eindrucksvoll persifliert wurde. Hochtechnisierte Lebensmittelfabriken, wo aus Konservierungs- und Verdickungsmitteln, künstlichen Aromen, Farbstoffen sowie allerlei undefinierbarer Pampe fertige Kunstnahrung in großen Mengen fabriziert wurde.
Das endende Jahrtausend – als Nahrungsmittel-Tiefpunkt unserer Geschichte
Die Siebziger und Achtziger sind ja für einige schräge Dinge bekannt. Leider auch für eine Epoche, wo die Wertschätzung für natürliche Lebensmittel ihre traurige Talsohle erreicht hatte. Und damit ist nicht nur die Unbekümmertheit gemeint, mit der Otto Normalverkoster sich minderwertiges Fertigfutter auftischen ließ, sondern auch die Lebensmittelskandale, die sich wie ein roter Faden durch diese Zeit ziehen. Hat man diese Epoche nicht selber miterlebt, müsste sich spontan die Frage stellen, warum es so einen Blödsinn wie Bioprodukte überhaupt gibt? Und warum die auch noch teurer sind als „normale” Produkte? Bevor man böse Absichten unterstellt, findet sich die Antwort im Geschichtsbuch zu den Sünden der Vorfahren. So war bis 1972 in Deutschland noch der Einsatz von krebserregendem DDT als Insektizid gebilligt und erlaubt. 1980 gingen einige Bauern so weit und „pimpten” ihre Kälber mit Östrogen, damit diese mehr Fleisch ansetzten. Fünf Jahre später waren es dann die Winzer, die mit Frostschutzmittel (sog. „Glykolwein-Skandal”) ihre Qualitätsweine geschmacklich intensivierten (d. h. panschten). Und das sind nur drei Kollateralschäden aus einer langen Tradition, zu Gunsten von Profit an Lebensmitteln chemisch herumzufummeln.
Auch wenn verfälschte Lebensmittel und kulinarischer Bankrott auf den ersten Blick nur am Rande zusammenhängen, haben sie doch als gemeinsame Wurzel die fehlende Wertschätzung für Nahrungsmittel. Dass vor 50 Jahren immer mehr Kantinenessen auf deutschen Küchentischen serviert wurde, hat aber noch eine weitere, recht skurrile Ursache. Zu jener Zeit war in vielen Haushalten die Rollenverteilung bereits abgeschafft. Bis 1958 konnte der Ehemann ja noch den Arbeitsvertrag seiner Frau ohne deren Einwilligung kündigen. Und auch den Lohn verwalten (d. h. für eigene Zwecke verjuxen). Mit den orientalischen Sitten war es ab den späten Sechzigern dann erstmal vorbei. Die globale Frauenbewegung führte in den USA zu brennenden Büstenhaltern – und in Deutschland dazu, dass viele Frauen aus der Küche ins Büro flohen. Und schon war das Dilemma vorprogrammiert. Denn wenn die Ehefrau nach getaner Arbeit nicht mehr stundenlang am Herd stehen wollte, wer sollte es dann tun? Der damalige Durchschnittstyp? Der Kochen mit karierter Kittelschürze assoziierte. Und schon damit überfordert war, dass der Hausdrache nun Hosen trug und Auto fuhr.
Ein gefundenes Fressen für die Industrie, die diese Marktlücke ausnutzte. Und als Strafe, diesen Konflikt nicht selber zu lösen, stattdessen lieber der bunten Werbepropaganda zu vertrauen, wurde in vielen Haushalten innerhalb weniger Jahre das klassische Kochgeschirr durch Gefriertruhe und Mikrowelle ersetzt. Gab es 1960 gerade mal eine Handvoll fertiger Tiefkühlprodukte, lagen 1980 bereits mehr als 400 Exemplare im Supermarkt bereit. Richtigen Widerstand zu verfälschter Nahrung fand man damals kaum. Was sich inzwischen durchgesetzt hat, war in den Achtzigern noch ein belächeltes Nischenphänomen: Naturkost bekam man in kleinen Lädchen, wo sich langhaarige „Körnerfresser” mit naturbelassenen Produkten eindeckten – sofern sie nicht gerade in Strickpullis gegen Atomkraft demonstrierten. Dass die „moderne” Ernährung wohl doch nicht so koscher war, fiel auch der breiten Bevölkerung irgendwann auf. Spätestens beim Blick auf die Waage. Nur, anstatt umzudenken, wurde derselbe Mist fleißig weiter gekauft – als kalorienreduzierte „Light”-Variante für eine Mark mehr. Das alles brennt die Achtziger nicht nur als modisch grenzwertig ein, sondern auch als Jahrzehnt, wo man pappige Baguette mit metallischem Beigeschmack, gruseligen Fertigspinat und Fischblöcke in Aluschale im Tiefkühlregal fand.
Schlimmer geht bekanntlich immer. Die Neunziger waren nicht nur für BSE („Rinderwahn”), Nikotineier als auch pestizidhaltige Babynahrung berüchtigt, sondern gaben auch den Startschuss für eine bis in die Gegenwart reichende Unsitte an Etikettenschwindeln. Den Vogel abgeschossen haben dann aber diese asiatisch eingekleideten Instant-Nudeln, die für ein paar Pfennig beim Discounter herumstanden. In den Geschmacksrichtungen „Huhn” und „Rind”, wobei da faktisch nicht ein Gramm echtes Fleisch enthalten war. Und die Zutatenliste sich wie das las, wonach der Terrorist in der Apotheke fragt, wenn er in Bastellaune ist. Dafür war die Zubereitung kinderleicht. Jeder Dussel, der die Bedienung eines Wasserkochers verstand, konnte fortan mit dem schmierigen Asia-Schnellimbiss um die Ecke konkurrieren. Kochendes Wasser über Nudeln und Pulver kippen, fertig. Der Geschmack war … nun, eine Erfahrung für sich. Hatte zwar nichts mit authentischer asiatischer Kochkunst gemein, dafür gab’s im Abgang ein seltsames Kribbeln, das einen verriet, man solle besser nicht darüber nachdenken, was da gerade in Richtung Magengrube befördert wurde. Heute würde man sich fragen, ob der russische Geheimdienst diese Nudeln schon gebunkert hat, falls denen mal das Nowitschok ausgeht.
Das endende Jahrtausend war darüber hinaus die Blütezeit des „E621” – Mononatriumglutamat existierte damals noch in fast allen Würzern, Fertigsuppen und etlichen anderen Produkten des Kühlregals. Auch bei mir im Elternhaus kam es gern zum Einsatz. Besonders mit „Maggi”, der unverwüstlichen Würzkeule für alles. Darauf angesprochen nur Desinteresse. Schließlich wird es ja so verkauft, also kann es nicht verkehrt sein. Und seit jeher tauchen in regelmäßigen Abständen neue Studien auf, die mal die Schädlichkeit von Glutamat auf den Organismus bejahen und dann wieder verneinen. Die Spannweite reicht von völlig unbedenklich bis hin zu neurotoxisch und Alzheimer fördernd. Auch ein Kuriosum unserer westlichen Zivilisation, dass für die eigene Erkenntnis zuerst eine wissenschaftliche Studie vonnöten ist. Ich lecke ja auch nicht die Dose Holzschutzmittel aus, weil mir bislang noch niemand bewiesen hat, dass es schädlich sein könnte. Und dabei ist die Schädlichkeit hier gar nicht der springende Punkt. Es ist viel mehr eine Frage der Ordnung – und die tiefe Überzeugung, dass so ein Unfug nicht in die Nahrung gehört. Auch muss man sich die Frage gefallen lassen, wenn Geschmacksverstärker nötig sind, ob dann nicht eher bei der Zubereitung einiges schief lief.
Das Ende des Unfugs – und der Entschluss, den Kochlöffel selber zu halten
Hat man auf all den Unfug keine Lust mehr, bleibt wie immer nur übrig, das Zepter (also den Kochlöffel) selber in die Hand zu nehmen. Es ist das uralte Spiel von Akzeptieren und Ablehnen, das sich irgendwann nur noch differenziert ausführen lässt. Und in diesem Fall bleibt tatsächlich nur Ablehnung als Mittel der Wahl, will man eigenen Prinzipien treu bleiben. Mit dem Entschluss, das tägliche Nahrungsritual nicht mehr mit selber produziertem Kantinenessen zu verderben, oder es auf die moderne Art an externe Dienstleister auszulagern, stehen freilich einige Veränderungen an. Das beginnt bereits beim Einkauf. Mit der Verblüffung, dass der Großteil der angebotenen Produkte künftig belanglos wird. War man vorher schon darüber gestolpert, dass die auffällig eingepackten Produkte oben im Regal meist die sind, die vom Preis-Leistungs-Verhältnis ganz weit unten angesiedelt sind, folgt nun die nächste Erfahrungsstufe. Nämlich die Verabschiedung vom kollektiven Trugschluss, dass Fertigprodukte (auch die vom Discounter) günstiger sind als das, was mit wenigen Handgriffen und etwas gutem Willen selber zubereitet werden kann.
Zwei Beispiele: Der markenlose und vermeintlich günstige Grießpudding (150 Gramm für 55 Cent) lässt sich in drei Minuten selber nachkochen. Der Einkauf beschränkt sich dabei auf Milch, Hartweizengrieß und Honig (statt Industriezucker). Und schon lässt sich kiloweise Grießbrei für die nächsten Wochen kochen. Gut, für eine perfekte Kopie zum Fertiggrieß müsste man im Supermarkt noch herausfinden, in welcher Regalreihe sich die nötigen Verdickungsmittel, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren finden lassen. Ähnlich ist es beim Krautsalat. Wer behauptet, dass fertiger aus dem Kühlregal (mit lecker Würfelzucker) ähnlich schmeckt wie beim guten Griechen nebenan, hat entweder genau meinen Humor – oder ist wenigstens zur Hälfte britischer Staatsbürger. Dabei geht die eigene Zubereitung schnell und simpel vonstatten. Man braucht eine Küchenreibe, fünf Minuten Lebenszeit sowie eine Handvoll an unverarbeiteten Zutaten, bestehend aus Weißkohl, Salz, Essigessenz und Olivenöl. Das Kilo Krautsalat, für das man nicht einmal 2,50€ investiert hat, hält sich gekühlt eine Woche. Und beweist, dass Bequemlichkeit selten die Mentalität ist, mit der man seinem Gaumen etwas Gutes tut.
Das passende Geschirr – hinfort mit Teflonpfannen und Blechtöpfen
Bevor man als Hobbykoch nach den Sternen greift, gilt es erstmal, das veraltete Geschirr auszumisten. Die Mikrowelle braucht man höchstens noch, um Wasser zu erhitzen. Stattdessen muss Handfestes her. Erste Regel: „Wer sparen will, muss investieren.” Der Knauser, der widerwillig die Geldbörse öffnet und nur das Billigste kauft, wird auf lange Sicht damit baden gehen. Das gilt besonders für Küchenutensilien. Ein Kochtopf für ein paar Euro, die Teflonpfanne vom Grabbeltisch – wandern früher oder später zu Recht zum Müllplatz. Hat man komplexere Ansprüche als sich ein Ei zu braten, kommt man um höherwertige Ausrüstung nicht herum. Zweite Regel: „Kenne den Wert deines Geschirrs.” Nicht das teuerste Produkt ist automatisch das beste. Eine Bratpfanne mit Designerfirlefanz im vierstelligen Preisbereich ist vielleicht für neureiche Küchentussis geeignet, die auf Stehpartys damit herumfuchteln. Grundsätzlich sollten aber nur Material und Verarbeitung die Kaufentscheidung bestimmen – also weder Optik noch ein gülden eingravierter Markenname. Und beim Material spielen die Klassiker Eisen, Edelstahl und Kupfer noch immer ganz vorne mit.
Nur, Kupfertöpfe sind Mimosen. Die man auch erst ab 70 Euro aufwärts bekommt und wie gesunde Zähne ihre regelmäßige Pflege brauchen. Die Reinigung mit Essig und Salz ist lästig, aber auch notwendig, damit die rötlichen Töpfe nicht irgendwann dunkelbraun und grün schimmern. Für den Aufwand entlohnen sie einen aber. Ich erinnere mich, dass früher bei den Großeltern der Eintopf immer gefühlt einen halben Tag auf dem eingeschalteten Herd stand und vor sich hin köchelte. Bei mir steht er höchstens eine halbe Stunde drauf, dann kann die Platte ausgeschaltet werden. Den Rest erledigt der Kupfertopf mit seiner herausragenden Wärmekapazität. Der nach zwei Stunden noch immer so heiß ist, dass man sich die Finger verbrennt. Das spart Zeit und Energie. Man könnte auch sagen, Kupfertöpfe schonen das Klima. Gut, mit solchen Witzen muss man heute vorsichtig sein, sonst klebt sich morgen noch ein Typ in meiner Küche fest. Ein weiterer Vorteil ist die gute Wärmeleitfähigkeit, die schnelles und präzises Ändern der Temperatur ermöglicht, wenn man mal Gerichte zubereitet, die etwas anspruchsvoller sind.
Weitaus pflegeleichter und robust wie ein Traktor sind Gusseisenpfannen. Eine Anschaffung fürs Leben waren die drei schwedischen Pfannen (darunter eine Grillpfanne), die ich mir vor über 20 Jahren zulegte. Das Paradoxe ist, dass sie mit fortschreitender Zeit und Benutzung immer besser braten. Nach dem Einbrennen bildet sich eine natürliche Patina, die jegliche Antihaft-Beschichtung aus Teflon überflüssig macht. Man stelle sich vor, man kauft sich heute einen Neuwagen, der in zwanzig Jahren weniger Energie verbraucht und auch noch schneller fährt. Realität ist, dass der Wert der Karre in dem Augenblick einbricht, wo man zum ersten Mal den Schlüssel ins Zündschloss steckt. Die Eisenpfannen hingegen brutzeln noch in hundert Jahren. Und da klebt auch nichts dran fest. Als Protestmittel sind sie daher weniger geeignet, aber in der Küche beim Braten erste Wahl. Wer einmal ein Rindersteak in Butterschmalz damit zubereiten durfte, wird das sofort unterschreiben. Mit vier Kilogramm Gewicht haben sie auch die nötige Stabilität und sind obendrein pflegeleicht. Nach Benutzung kurz mit Wasser abspülen, auswischen und dann in Ruhe abkühlen lassen. Und natürlich niemals (genau wie die Kupfertöpfe) in den Geschirrspüler packen.
Die passende Würze – weg mit Streckmischungen und „Fix”-Tüten
Egal was man zubereitet, oberstes Ziel sollte sein, die nötigen Zutaten vom Verarbeitungsgrad her so weit wie möglich herunterzuschrauben. Am besten unbehandelt und unverfälscht. Klingt gut, aber in diesen Zeiten auch schon fast wie ein Anachronismus. Zumindest, wenn man die hiesigen Supermärkte betritt. Da fällt einen erst auf, wie schwierig es ist, einen halben Einkaufswagen nur mit unverarbeiteten Produkten zu befüllen. Divers ist das Angebot, das muss man den Unternehmen lassen. Und dieses bunte Sammelsurium spiegelt ja auch die Nachfrage irgendwie wieder. So sind zwei bis drei Regalreihen mit Nasch- und Knabberzeug fast schon charakteristisch für ein Volk, das panische Angst vor Drogen hat, aber hochgradig zucker- und salzabhängig ist. Nun, Rauschmittel sind zur Abwechslung mal nicht das Thema. Und wenn es denn auch nur die Zuckerabteilung wäre. Weitaus befremdlicher für jeden, der schon einmal die Weisheit des heiligen Kochlöffels in sich spürte, ist die nicht enden wollende Würzabteilung mit „Fix”-Pulvern jeglicher Art. Wenn der Dealer im Frankfurter Bahnhofsviertel auch so eine Auswahl hätte, wäre längst das BKA angerückt. Und wäre sein Zeug ähnlich gestreckt, hätte man ihn wohl irgendwann mit den Füßen voran dort heraustragen müssen.
Wie dem auch sei, ich habe noch nie Gewürzmischungen verwendet. Und Würzmischungen erst recht nicht. Wobei einigen sicherlich nicht der feine Unterschied bekannt ist. Das sollte eigentlich in der Schule gelehrt werden, aber da wird einen ja genügend anderer Killefitt aufgetischt. Bei Würzmischungen handelt es sich um Cocktails, die nur aus Geschmacksverstärkern, Speisesalz, Zuckerarten und allerlei künstlichen Trägerstoffen bestehen. Also das, was man besser zum Klo- als zum Rachenputzen verwenden sollte. Gewürzmischungen hingegen bestehen immerhin aus echten Gewürzen, Kräutern und geschmacksgebenden Pilzen. Aber die braucht man auch nicht wirklich, hat man ein gut sortiertes Gewürzregal daheim. Auch gibt es eine Erfindung namens Aromen. Die sind ähnlich wie der Körpergeruch. Den kann man jederzeit mit grellen Industriedüften übertünchen. Oder mal hinhören, was er einen zu sagen hat. Analog ist es mit den Aromen. Lässt man sich drauf ein, entwickelt man mit der Zeit ein Gespür, welche Gewürze sich gut kombinieren lassen und welche nicht. Dann braucht man auch kein „Fix”-Diplom mehr, um zu erahnen, dass Bohnenkraut und Curry zusammengemischt keine gute Wahl wären.
Was einen der Kochlöffel lehrt – die passende Mentalität in der Küche
Um die kulinarische Trinität zu vervollständigen, fehlt nach Geschirr und Zutaten noch das letzte Puzzleteil, das dem guten Mahl den letzten Schliff verleiht. Das ist nicht der Heilige Geist, sondern schlicht die Erfahrung, wenn man sich tagtäglich damit beschäftigt. Wenn man zehn Jahre lang nur die Mikrowelle einschaltet, hat man immerhin gelernt, wie man die Mikrowelle bedient. Beim echten Kochen ist der Lernprozess etwas komplexer, da mehrere Prozesse gleichzeitig stattfinden. Das richtige Zusammenspiel aus Menge, Temperatur und Zeit lernt man zwar nicht unmittelbar, sollte sich aber einpendeln, wenn man ein paar Mal den Kochlöffel schwingt. Man sollte nur als Anfänger keine Angst davor haben, dass die ersten Kochversuche in einer Katastrophe enden. So richtig in die Hose gegangen ist mir in den vielen Jahren noch nie ein Essen. Höchstens mal ein „Chili”, das mit einer Habanero zu viel verfeinert wurde. Und im wahrsten Sinne des Wortes gleich zweimal brannte. So bleibt die Erkenntnis, dass die Grundlagen zwar schnell erlernt sind, aber viele kleinere Zusammenhänge einen erst im Laufe der Jahre klar werden. Und für Feinkorrekturen immer genügend Raum bleibt.
Man könnte sich anstelle von dicken Rezeptbüchern und langen Kochkursen auch schlicht am alten Saint-Exupéry orientieren, der neben dem „kleinen Prinzen” auch ein universelles Gesetz herausgehauen hat, das für viele Bereiche des Lebens damals wie heute gilt. Denn „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.” So ist es auch beim Kochen. Und ähnlich wie bei der Erziehung. Die Balance zu finden zwischen zu wenig Fürsorge (brennt durch) und zu viel Aktionismus (verweichlicht) ist ein weiterer Schlüssel zum Gelingen. Ein unsicherer Hobbykoch rührt schon mal alle paar Sekunden hektisch im Topf herum, aus Angst etwas falsch zu machen. Und so wie jedes Kind über möglichst wenig Rumgestresse dankbar ist, so wird auch das Essen eine andere Qualität haben, wenn es mit einer gewissen Lässigkeit zubereitet wurde. Fällt einen das schwer, als Tipp, einfach vorher mal einen wegzukippen. Natürlich nicht so, dass man die Pfanne anschließend nicht mehr gerade halten kann. Und dieser grandiose Tipp auch nur dem Kochvorgang und weniger der Erziehung dient.
Fazit – lieber einen wegkippen als Rezepte nachzukochen
Wenn ich eines in den letzten zwanzig Jahren als selbsternannter Küchenschiffer gelernt habe, dann dass Kochen nach Augenmaß und Gefühl jedes Rezept mit exakten Mengen- und Zeitangaben überflüssig macht. So wie der betrunkene Seemann weiß, dass man nur dem Flusse folgen muss, um irgendwann wieder an die See zu kommen. Gut, ich bin natürlich kein ausgebildeter Koch. Und jedes bessere Restaurant würde meine Bewerbung in der Luft zerreißen, wenn ich denen erzähle, dass meine besten Bratkartoffeln erst im Suff so richtig goldbraun wurden. Restaurantküche ist ja auch gar nicht mein Anspruch. Dort sitzt man schließlich nicht jeden Tag – im heimischen Esszimmer schon. Und das Restaurant kann den Koch jederzeit feuern, wenn bei der nächsten Küchenrazzia ein paar Tütchen Soßenpulver aus seinen Taschen kullern. Daheim hingegen ist man eigener Küchenchef. Und als guter Chef gilt es, nicht nur verantwortungsvoll und nachhaltig zu handeln, sondern auch authentisch aufzutreten und Werte zu verkörpern. Klar, man kann jederzeit auch die lausige Variante spielen. Nur hätte es dann eine gewisse Komik, wenn man sich im Urlaub über die Briten amüsiert, die jede Pampe zungeleckend in sich reinstopfen, aber selber im Keller eine gut gefüllte Gefriertruhe mit „Schlemmerfilet” und anderen Tiefkühl-Leichen herumstehen hat.
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