Früher war gute Bildung und „was Anständiges“ lernen hocheilig. Daher sollte man statt in Comics seine Nase lieber in Schulbücher stecken. Die waren nur leider staubtrocken und alles andere als lustig. Auch zählte ich zu den Schülern, die nach Unterrichtsschluss freiwillig kein vergilbtes Buch mehr anfassten, wo zig Jahrgänge vorher schon reingerotzt hatten. Da tauchte ich lieber in die chaotischen Abenteuer der Agenten Clever & Smart ein, die mit dem Holzhammer einen Gag nach dem anderen raushauten und sich dabei gegenseitig Beulen in der Größe einer Ofenkartoffel verpassten. Literarisch wertvoll war der von Erwachsenen gern als „Schund“ bezeichnete Stoff nicht gerade. Und stellenweise auch nicht immer kindgerecht. Vielleicht war das der Grund für den Kultstatus, den diese Comics damals bei mir hatten? Nach über 30 Jahren gilt es nun, das herauszufinden.
„Meine Güte, wie lange ist das jetzt her?“ … Fragte ich mich, als ich den Stapel mit den über 100 Ausgaben „Clever & Smart“ begutachtete, der in meiner alten Dachgeschosswohnung im Elternhaus noch immer vor sich hin lagert. Zwischen 1984 und 1991 muss es gewesen sein, als ich das zweimonatlich erschienene Album der beiden idiotischen Agenten regelrecht verschlungen habe. Mit der Jugend war dann plötzlich Schluss mit Comics. Und es folgten nach ein paar Jahren Leseabstinenz die Klassiker der deutschen Literatur. Mit einem Kafka im Gepäck konnte man schließlich mehr Eindruck schinden als mit einem Comic, dessen Wortschatz überwiegend aus „PTAF!“ und „PTOF!“ bestand.
Clever & Smart – spanisches Kulturgut seit 1958
Das Agentenduo „Clever & Smart“ hat inzwischen schon über 60 Jahre Dienstzeit hinter sich, stammt aus Spanien und wurde dort als „Mortadelo y Filemón“ ab 1958 in der Zeitschrift „Pulgarcito“ (kleiner Daumen) veröffentlicht. Dort wurden die beiden Chaoten innerhalb eines Jahrzehnts so populär, dass man ihre Abenteuer ab 1969 auch als eigenständige Alben veröffentlichte. Und was in Spanien gut funktionierte, sollte auch woanders ein Erfolg werden. So lizensierte der Frankfurter Condor-Verlag die Geschichten für den heimischen Markt und übersetzte diese ab 1972 ins Deutsche. Ein neuer Name für die Agenten musste her, da „Mortadelo & Filemón“ wohl zu speziell war. Man entschied sich für „Clever & Smart“. Eine Wahl, die man in Norwegen, Tschechien und der Slowakei mit uns teilte. In anderen Ländern heißen die beiden dann wieder anders, beispielsweise „Mort & Phil“ in England und „Flip & Flop“ in Dänemark.
Schöpfer der Serie ist der Comic-Zeichner Francisco Ibáñez Talavera, der mit 84 Jahren noch immer zeichnet und weiterhin aktiv ist. Das Licht der Welt erblickten seine Geschichten in der Zeit des Franquismus (1936-1977), als seine sozialkritischen Slapstick-Einlagen von der Zensurbehörde mit einem Auge immer mitgelesen wurden. In einer Diktatur gehörte als Comic-Zeichner schon einiges an Mut dazu, Polizei und Regierungsbeamte als Vollidioten darzustellen. Humor und Despotismus waren ja auch noch nie gute Freunde. So merkt man seiner Feder den Einfluss der langen Diktatur an, gleichzeitig aber auch amerikanische Vorbilder wie „Dick und Doof“ oder „Tom und Jerry“.
Da man hierzulande unsicher war, ob die Texte auch bei uns Deutschen funktionieren und angenommen werden, entschied man sich, bei der Übersetzung sehr frei umzugehen. Auch die Reihenfolge der veröffentlichten Alben wurde nach eigenem Gutdünken übernommen. Da die Geschichten aber stets abgeschlossen sind und nicht aufeinander aufbauen, war das nicht ganz so tragisch. Etwas befremdlicher wurde es, als sich der Condor-Verlag in die eigene Interpretation der Inhalte irgendwann verliebte. Denn neben den Sprechblasen bekamen auch die Titel der jeweiligen Geschichten bald einen sehr eigenwilligen Anstrich.
Die ersten Übersetzungen der Alben waren noch recht originalgetreu: „Safari callejero“ (Straßensafari) wurde beispielsweise mit „Asphaltsafari“ übersetzt. Und „Valor y… ¡al toro!“ (Mut und … der Stier!) mit „Immer Ärger mit dem Bullen“. So nach 20 Alben ging man dazu über, die Titel fortan nur noch in Reimform zu präsentieren. Und so erwarteten den Leser monatlich Kalauer wie „Hosen runter – jetzt wird’s munter!“, „Das Wetter flippt aus – werft Petrus raus!“ oder „Schnüffel und Schnief – alles geht schief!“. Vielleicht war es die regionale Nähe zur Fassenachts-Hochburg Mainz, die die Condor-Redaktion zu solchen Kreationen beflügelte? Wie auch immer.
Clever & Smart – worum ging es nochmal?
Hauptfiguren der Comics sind die beiden Agenten Fred Clever (Mortadelo), der im schwarzen Bestatteranzug gekleidete Glatzkopf mit der langen Nase, sowie Jeff Smart (Filemón), der Durchschnittstyp mit den immerhin zwei Haaren auf dem Kopf. Beide sind für den Geheimdienst T.I.A. (Trans-Internationaler Agentenring) tätig und erhalten von ihrem Auftraggeber Mister L (Superintendente Vicente) in jeder Geschichte einen Auftrag, der aus Kopfgeburten wie Sekteninfiltration, der Abschaffung der Arbeitslosigkeit oder dem Testen von vegetarischen Biowaffen besteht. Dass Clever und Smart nur dem Namen nach kompetent sind und (fast) alle Aufträge kunstvoll in den Sand setzen, versteht sich von selber.
Zu jedem Geheimdienst gehört ein schräger Wissenschaftler, der die Agenten mit allerlei Erfindungen ausstattet. Das ist hier der langbärtige Doktor Bakterius (Profesor Bacterio), dessen Wunderpillen aber meist das genaue Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich sollen. Als Dank wird dem Doktor dann regelmäßig der Bart abrasiert, rausgerissen oder abgefackelt. In einer der ersten Geschichten erfährt man auch, warum besonders Clever einen Groll gegen ihn hegt. Dieser hat wohl früher ein Mittel gegen Kahlköpfigkeit erfunden, das Clever testen sollte. Der Rest ist Geschichte.
Dann ist da noch Fräulein Ophelia (Ofelia), die korpulente Sekretärin mit dem ausgeprägten Vorbau und der locker sitzenden Rechten. Sie hegt ein heimliches Heiratsinteresse an Clever – erntet von dem aber statt Romantik nur anzügliche Bemerkungen zu ihrer Körperfülle. Etwas später (ab 1987) kam als zweite weibliche Figur Fräulein Tussy (Irma) hinzu, das schlanke Gegenstück zu Ophelia und ebenfalls Sekretärin. Hier sind es Clever und Smart, die lechzend um sie werben und nach allen Regeln der Kunst immer wieder scheitern.
Die besondere Komik vieler Geschichten entsteht aus der Wiederholung eines festen Schemas und dem Einbau von Running Gags. Eine typische „Clever & Smart“ Geschichte beginnt damit, dass Clever und Smart zu Mister L zitiert werden. Da diese sich ihrem Job aber selten verpflichtet fühlen, finden sie immer wieder neue Ausreden und Möglichkeiten. So geben sie einmal Ophelia zwei grinsende Fotos von sich selber für Mister L mit, da dieser sie ja schließlich „sehen“ wollte. Mister L ist verärgert, ein „PTAF!“ folgt und Smart hat ein blaues Auge. Fred flieht in einer seiner bizarren Verkleidungen, die ihn mal als Henker, Klempner, Spinne oder gar als Flugzeug darstellen. Wiedererkennbar an der langen Nase und der Brille.
Nachdem das Anfangsgeplänkel überstanden ist, präsentiert Mister L einen abstrusen Auftrag und schickt die beiden zu den unmöglichsten Orten. Manchmal sogar wortwörtlich in die Wüste. Immerhin bekommen sie jedes Mal einen schicken Dienstwagen gezeigt. Wohlgemerkt „gezeigt“. Das ist nämlich das Fahrzeug von Mister L – Clever und Smart dürfen dann mit der Straßenbahn fahren oder auf einem alten Esel zum Auftragsort eilen. Und dort bleibt kein Auge trocken: Gebäude und Fahrzeuge werden demoliert, Zivilisten versehentlich abgefackelt, vor älteren Damen wird sich entblößt und ein lose am Seil befestigter Tresor kracht erwartungsgemäß irgendjemandem auf die Birne. Enden tut die Geschichte dann damit, dass eine Meute komplett eingegipst im Rollstuhl hinter Clever und Smart herjagt.
Gewalt, Surreales und eine Prise Sexismus
Was aus heutiger Sicht leicht verwundert, ist, dass die Comics in den frühen Achtzigern nicht wie viele andere Medien dem Wahn selbsternannter Jugendschützer zum Opfer gefallen sind. Ich erinnere mich an Filme mit schlecht geschminkten Zombies und etwas Kunstblut, die schneller auf dem Index landeten als die Unterleibskrimis von Teresa Orlowski. Schließlich hatten und haben wir Deutschen noch immer etwas Exotisches wie einen § 131 im Strafgesetzbuch, der Gewaltdarstellung in den Medien mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr androht. „Clever & Smart“ wurden glücklicherweise nie mit Blaulicht am Kiosk einkassiert. Und auch sonst gab es keinen Aufschrei – außer vielleicht von ein paar Lehrern, die aber mehr die schlichte sprachliche Form ankreideten.
Dabei strotzten die Comics vor Gewalt, Sexismus und makaberen Unfällen. Es gab keine Geschichte, wo nicht ein tonnenschweres Gewicht einer armen Sau die Körperteile plattgedrückt hat oder eine das Ziel verfehlte Rasierklinge mal eben ein Ohr abtrennte. Und politisch korrekt ging es auch selten zu, wenn z. B. die dicke Ophelia zum Gewichtheben zweckentfremdet wurde oder ein paar Afrikaner in den Comics auftauchten, die den Namen „Bimbo“ trugen und stets wie Schimpansen mit dicken Tellerlippen (und meist ohne Schuhe) gezeichnet waren. Selbst Tiere waren vor Ibáñez speziellem Humor nicht sicher. Ein lästiger Hund wurde schon mal mit „PTOF!“ in den Hintern zum Fliegen gebracht – und bei den Dingen, die beizeiten mit einer Kuh angestellt wurden, hätte jeder Inder das Heft entsetzt in der Luft zerrissen.
Glücklicherweise vermengt sich diese Enorme Dosis an Gewalt stets mit einer neutralisierenden Portion Surrealismus. Wenn Smart sich beim Rasieren die Nase abschneidet, näht Clever (in Hausmütterchen-Verkleidung) diese einfach wieder an. Und ein Bild später ist nicht einmal mehr eine Narbe zu sehen. Die Gesetze von Raum, Zeit und Kausalität im „Clever & Smart“ Universum hat Francisco Ibáñez gleich mit gezeichnet. So gewöhnt man sich beim Lesen schnell daran, dass ein langes Wasserrohr (mit Hahn), welches Mister L einmal quer durch die Ohren von Clever und Smart schlägt, natürlich keine bleibenden Schäden verursacht.
Fazit: Auch nach 35 Jahren noch enorm kultig!
Ich war anfangs skeptisch, ob ich das Tempo in den Alben, das schon eine Herausforderung ist, eine komplette Geschichte über 45 Seiten durchhalten werde. Die hohe Kunst von Ibáñez ist ja nicht nur die schnelle Abfolge der einzelnen Szenen, sondern auch den Figuren eine Dynamik und Lebhaftigkeit zu verleihen, so dass es in jedem Bild von Unruhe wimmelt. Decrescendo sucht man vergeblich, nach einem Poltern folgt ein Knall. Das störte als Kind aber überhaupt nicht und war neben dem kantigen Humor mit der größte Reiz an den Comics. Heute, wo man sich mental schon aufs Rentenalter vorbereitet und das Wochenende lieber in der Sauna als in der Disko verbringt, zählt „Clever & Smart“ nicht gerade zur altersgerechten Schonkost.
Ich nahm mir vor, wenigstens ein Album aus dem großen Stapel noch einmal komplett durchzulesen. Es wurde fast ein Dutzend, über eine Woche verteilt. Zugegeben, „literarisch wertvoll“ sind „Clever & Smart“ auch heute noch nicht. Aber das müssen sie auch nicht. Die Geschichten sind noch immer voller saukomischer, surrealer Elemente, gepflegter Unvernunft und abstrusen Ideen, dass einen die Kinnlade wackelt.
Dazu kommen die vielen schrägen Kleinigkeiten im Detail, die man beim genauen Betrachten der Bilder entdeckt. Mal ist ein Kotelett an die Wand genagelt, mal hängt ein mit Bindfaden umwickeltes Wurstsandwich irgendwo herab. In einer Schreibtischschublade chillt eine Kippe rauchende Katze und eine Aubergine wird als Reliquie verehrt. Das alles macht „Clever & Smart“ zu Comics, die ihren ganz eigenen und unverwechselbaren Charme besitzen. Und wenn eine von Dr. Bakterius gepriesenen Wunderpillen sprichwörtlich in die Hose geht und im nächsten Bild Smart wutentbrannt in die nächstbeste Telefonzelle kackt, ist das auch heute noch ganz großes Comic-Kino, das seinen Kultstatus zu Recht verdient.
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