Die Statistik zeigt, dass es bei allen Messungen Abweichler gibt, die aus der Reihe tanzen und nicht das widerspiegeln, was allgemein erwartet wird. Bei der Veröffentlichung von Computerspielen ist das nicht viel anders. Die sind mathematisch gesehen normalverteilt, nimmt man die Erwartungskonformität als Zufallsvariable. Bedeutet: Entspricht das Spiel den Erwartungen, die beim Publikum durch die Erfahrung mit ähnlichen Spielen entstanden sind? In den meisten Fällen schon. In einigen nicht. Und in wenigen gar nicht. Und dann kam Planescape: Torment. Einer jener Ausreißer, die jede Messreihe sprengen und alles auf den Kopf stellen. Wo das Ergebnis so weit vom Erwartungswert entfernt liegt, dass Statistiker als plausible Erklärung nur einen Messfehler akzeptieren würden. Welche Schlepper dieses Spiel damals auch immer entwickelt haben – sie waren in anderen Sphären unterwegs. Im Limbus, auf Mechanus, in Arkadien oder Elysum. Ebenen, die von Sigil aus, dem Zentrum des Multiversums, über ein Portal betreten werden können. Sofern man den passenden Schlüssel kennt. Und dorthin geht es nun zurück. In eine verdrehte Welt aus Schmerz, Erlösung, Erkenntnis und Reue. Die vor einem Vierteljahrhundert zwar nicht zeigte, was das Wesen eines Rollenspiels ändern kann – aber dafür, was es eigentlich ausmachen sollte.
Planescape: Torment (Interplay, 1999) – Rollenspiel-Exot mit überaus dichter Atmosphäre und bizarrem Setting.
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Dirk am 23. Juni 2023
War es früher Ehrensache, sich am Mittagstisch an einer selber zubereiteten Mahlzeit zu erfreuen, schaut es heute oft anders aus. Fertiggerichte sind gefragt. Und das seit mehr als 60 Jahren. Inzwischen geht der Trend zwar zu höherwertiger „Bequemnahrung”, die nicht mehr den Industriegeruch von pampigem Tiefkühlfraß der Siebziger und Achtziger mit sich bringt. Dennoch: Es ist nicht alles Gold, was glänzend verpackt ist. Und Kochen kann man sehr wohl auch selber in die Hand nehmen. Längst nicht so schwierig, wie manche denken mögen. Man braucht auch kein Hochschuldiplom, um mit wenig Zeit- und Geldeinsatz ein Essen zu servieren, das seinen Namen verdient. Vermutlich sind es weniger die zwei linken Hände zum Halten des Kochlöffels, die Leute davon abhalten, sondern eher der Mangel an Lust und Zeit. Kombiniert mit der fixen Überzeugung, dass Konfektioniertes gleichwertig sei. Dabei verbringt man im Schnitt mehr als drei Jahre seines Lebens mit der Nahrungsaufnahme. Und die Hälfte davon dann nochmal auf der Keramik. Klingt doch nach einem Grund, diesem täglichen Ritual auch die angemessene Hingabe zu widmen.
Selber Kochen mit zeitlosem Geschirr. Schwedische Gusseisenpfannen von Skeppshult (links) sowie eine Grillpfanne von Carl Victor (rechts). Beide Pfannen haben eine Herstellergarantie von 25 Jahren. Die man aber nie in Anspruch nehmen wird.
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Dirk am 24. Dezember 2022
Ob sich Buddha tatsächlich nur von Hanfsamen ernährte, Shakespeare eine verdächtige Tonpfeife gepafft hat oder irgendein Tropf von der Tüte zur Spritze umstieg – das Thema Cannabis polarisiert. Und kommt, was den THC-haltigen Konsum betrifft, seit jeher mit einer ganzen Reihe an Pro- und Kontra-Argumenten einher. Die aus dem einen oder anderen Lager regelmäßig aufploppen. Am besten sollte man sie alle auf OCB-Blättchen drucken und anschließend rauchen. Dann hätte man sie wenigstens schnell wieder vergessen. Oder würde die inbegriffene Sinnlosigkeit zumindest erahnen. Und könnte dieses Hickhack auf einen simplen Satz herunterbrechen: Ist keine Affinität vorhanden, fällt Ablehnung leicht – und ist sie da, wird Missbilligung kein Hinderungsgrund sein. So wusste ich vor fast 30 Jahren, dass ich mit dieser uralten Droge eine längere Verbindung eingehen werde. Die einen Großteil meiner späten Jugend (im wahrsten Sinne des Wortes) durch die Pfeife ziehen wird. Eine Zeit mit vielen unvergleichlichen, absurden als auch mystischen Momenten. Mit der ältesten Kulturpflanze im Gepäck – weltentrückt und verraucht, auf vertrauten und auf weniger bekannten Pfaden unterwegs.
Meine kompakte Wasserpfeife von „Bam Bam Bhole“ (Baujahr 1994), die noch immer existiert. Und mit der in den Neunzigern gefühlt eine ganze Monatsernte des Marokkanischen Rif-Gebirges verdampft wurde.
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Dirk am 27. Oktober 2022
Von allen Videospielkonsolen, die mich im Leben begleitet haben, gibt es nur ein paar wenige, zu denen auch so etwas wie eine tiefere Bindung aufgebaut wurde. Die meisten waren für mich Gebrauchsgegenstände, die kamen und irgendwann wieder gingen. Jede Konsole hatte freilich ihren Reiz, ihre starken und ihre schwachen Seiten. Sowie immer eine Handvoll Games, die ihr Geld durchaus wert waren. Und dann gab es das SNES (Super Nintendo Entertainment System), welches genau in die goldene Zeit später Jugend fiel. Und allein deshalb schon gute Karten als Anwärter zum Kultgerät hat. Aber da war rückblickend noch mehr. Ein Zusammenspiel gut abgestimmter Technik, Robustheit und eine überragend große Anzahl an einzigartigen Spielen. Viele davon faszinieren mich noch heute. Und beweisen, dass auch mit relativ wenig Aufwand viel Spielspaß möglich war. Also, Staub wegpusten, einschalten und ab in die Zeit der Steckmodule, 2D-Sprites und unverwüstlichen Kabelcontroller.
Mein Super Nintendo Entertainment System (SNES) mit dem Repro-Modul „Secret of Mana 2“
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Dirk am 26. Juni 2022
Wenn es neben Comics, BMX und Computerspielen etwas gab, das meine Kindheit und Jugend wie nichts anderes prägte, dann war es die Zeit im Kleingarten. So ein autonomer Garten hat in unserer Ahnentafel Tradition. Nicht nur die Urgroßeltern hatten einen, auch die Großeltern beackerten fast ihr gesamtes Leben ihr eigenes „Lande“. Wo dann später auch meine ersten Lebensjahre begannen. Und um 1982 entschlossen sich die Eltern, sich ebenfalls eine Parzelle zuzulegen. Die von uns über zehn Jahre als Hobby- und Erholungsort genutzt wurde. Solche auch als Schrebergärten bezeichneten Orte sind als Raststätte auf der Strecke des Alltags nicht zu unterschätzen. Und wer vorhat, sein eigenes Grundstück im Grünen zu bewirtschaften, kann sich glücklich schätzen. Damals wie heute. Besonders wenn man nur das Stadtleben kennt, vielleicht noch in einer dieser Betonsiedlungen wohnt. Denn Kleingärten dienen nicht nur zur Selbstverwirklichung und dem Anbau von Obst und Gemüse, sie haben auch viele versteckte Werte, die einen erst im fortgeschrittenen Alter richtig bewusst werden.
Der Kleingartenverein „Gute Ernte“ e. V. in Bremen Horn-Lehe. Eine natürliche Oase inmitten einer Stadt.
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Dirk am 24. Februar 2022
Erwähnt man heutzutage irgendwo noch „Cheech & Chong“, erntet man skeptische Blicke und muss sich fragen lassen, ob man vom Asia-Lieferdienst spricht. Die beiden Komödianten Tommy Chong und Cheech Marin sind inzwischen wohl ziemlich in Vergessenheit geraten. Dabei waren sie in den Achtzigern überaus bekannt. Angefangen als umhertingelndes Comedy-Duo, veröffentlichten sie nebenbei ein paar Platten und tauchten hier und dort in Low-Budget-Filmen auf. Mit ihrem ersten Film „Up in Smoke“ (1978) wurden sie dann auch hierzulande als schmarotzende Taugenichtse Cheech und Chong populär, die ihren Alltag mit Dummheiten, Rumgammeln und Tütendrehen verbringen. Ihren zweiten Film, den sie pragmatisch „Next Movie“ (1980) nannten, und der hierzulande als „Noch mehr Rauch um überhaupt nichts“ veröffentlicht wurde, habe ich mir vor fast 30 Jahren regelmäßig auf VHS reingezogen. So war es mir eine große Freude, dieses Relikt der späten Jugend erneut auf DVD zu bekommen. Und wie immer fragte ich mich, ob der Streifen auch heute noch so knallt wie damals – oder doch nur alles viel Rauch um nichts war?
Cheech und Chong’s Next Movie – Noch mehr Rauch um überhaupt nichts
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Dirk am 5. September 2021
Sind Plattformspiele heutzutage eher ein Nischenprodukt, so waren sie in den Achtzigern überaus populär. Nicht umsonst zählt „Super Mario Bros.“ (1985) zu den einflussreichsten Videospielen aller Zeiten. Und Mario hatte bereits seinen ersten Auftritt als hüpfender Klempner in „Donkey Kong“ (1982), das als Urvater des Genres der „Jump ’n‘ Run“-Spiele gilt. Mit Dead Zone erschien ein paar Jahre später ein mysteriöses Low-Budget-Spiel für den C64, das mich gleichzeitig frustrierte wie faszinierte. Und welches durch das bizarre Setting der Welt von Mario in nichts nachstand und meine Fantasie beflügelte. Fast drei Jahrzehnte später habe ich mir nun vorgenommen, dieses uralte Stück Software neu zu entdecken und herauszufinden, ob die Faszination von damals auch heute noch wirkt. Oder vielleicht alles doch nur heiße Luft war.
Dead Zone (1987) – Low-Budget-Spiel mit einigen Besonderheiten
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Deutsche Innenstädte veröden zusehends. So sagt man zumindest. In meiner rheinhessischen Wahlheimat kann ich keine Vergleiche zu früher ziehen, doch in der Heimatstadt Bremen fällt es bei jedem Besuch erneut auf, wie trostlos, verlassen und eintönig einige Ecken der Innenstadt geworden sind. Und das nicht erst seit der Pandemie und den gewachsenen Leerständen. Das Sterben der großen Kaufhäuser begann bereits vor drei Jahrzehnten. Und seitdem hat sich vieles verändert. Zeitgeist, Konsumverhalten und auch die Bedeutung einer Innenstadt. Damals war ein Bummel „in die Stadt“ für mich noch mehr als nur der notwendige Einkauf. Seit der frühen Kindheit war es ein Erlebnis, das ich mit vielen weiteren Eindrücken verknüpfte. Und in die Achtziger und Neunziger geht es nun zurück. In eine Zeit, wo die Geschäfte in der City noch um 18:30 Uhr schließen mussten – und am Samstag sogar schon am frühen Mittag.
Die Sögestraße. Bremer Einkaufspassage, die der bronzene Schweinehirt mit seiner Herde einläutet.
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Als im März 2020 die letzte Folge lief, endete ein fast 35 Jahre altes TV-Ritual, das anfangs die Massen elektrisierte und von der Presse als „Schmierentheater“ verrissen wurde. Wenn man überlegt, dass die Lindenstraße zu Bestzeiten einmal um die 14 Millionen Zuschauer hatte und jeder vierte Westdeutsche am Sonntag um 18:40 Uhr gebannt vor der TV-Kiste saß, dann haut einen das heute fast um. Aber so war es tatsächlich. Die Großeltern schauten es, die Eltern und ich auch. Selbst auf dem Schulhof wurde montags darüber gequatscht, was für eigenartige Sachen in diesem „ganz normalen“ Mehrfamilienhaus passiert sind. Im Laufe der Jahre hatte die einstige Kultserie nicht nur mit wachsender Soap-Konkurrenz, sondern vor allem mit der Zeit als unbarmherzigen Gegner zu kämpfen. Denn das, was anfangs funktionierte, musste Jahr für Jahr auf eine Epoche angepasst werden, die sich immer mehr von dem entfernte, was viele einst zum Einschalten animierte. So geht die Reise nun zurück in eine andere Zeit. Zu den Anfängen einer Serie, die mit trostspendenden Spiegeleiern, Silvesterwalzern und angebrannten Weihnachtsplätzchen ein Stück Fernsehgeschichte schrieb.
Lindenstraße (1985-2020) – deutsche Seifenoper im Wandel der Zeit
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Dirk am 25. Februar 2021
Mit mehr als 10.000 veröffentlichten Spielen hat es der Commodore 64 in den Achtzigern auf eine stattliche Ansammlung gebracht, mit der man sich das Rentenalter perfekt verlustieren könnte. Nannte man einen „Brotkasten“ sein Eigentum, fällt einen das Verständnis für die Magie der C64-Ära leicht. Hatte man nichts damit am Hut, stellt sich allenfalls die Frage, wie man sich so ein umständliches Gerät antun konnte, das einen nach langer Ladezeit oft schlecht steuerbare Sprites als „Spiel“ verkaufte. Denn eines muss man zugeben, legt man die Nostalgie beiseite: Ein Großteil der damaligen Spiele ist furchtbar gealtert und eher ein Fall fürs Museum. Glücklicherweise gab und gibt es immer Ausnahmen von der Regel, wo der Programmierer ein zukunftssicheres Produkt erschaffen hat. Netherworld ist eines von den C64-Relikten, das 1988 vom britischen Publisher Hewson veröffentlicht wurde und auch heute noch eine verblüffend gute Figur abgibt. Also ab damit in den Emulator.
Netherworld (Hewson, 1988) – bizarres C64-Action-Puzzle, das gut gealtert ist
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