Die Statistik zeigt, dass es bei allen Messungen Abweichler gibt, die aus der Reihe tanzen und nicht das widerspiegeln, was allgemein erwartet wird. Bei der Veröffentlichung von Computerspielen ist das nicht viel anders. Die sind mathematisch gesehen normalverteilt, nimmt man die Erwartungskonformität als Zufallsvariable. Bedeutet: Entspricht das Spiel den Erwartungen, die beim Publikum durch die Erfahrung mit ähnlichen Spielen entstanden sind? In den meisten Fällen schon. In einigen nicht. Und in wenigen gar nicht. Und dann kam Planescape: Torment. Einer jener Ausreißer, die jede Messreihe sprengen und alles auf den Kopf stellen. Wo das Ergebnis so weit vom Erwartungswert entfernt liegt, dass Statistiker als plausible Erklärung nur einen Messfehler akzeptieren würden. Welche Schlepper dieses Spiel damals auch immer entwickelt haben – sie waren in anderen Sphären unterwegs. Im Limbus, auf Mechanus, in Arkadien oder Elysum. Ebenen, die von Sigil aus, dem Zentrum des Multiversums, über ein Portal betreten werden können. Sofern man den passenden Schlüssel kennt. Und dorthin geht es nun zurück. In eine verdrehte Welt aus Schmerz, Erlösung, Erkenntnis und Reue. Die vor einem Vierteljahrhundert zwar nicht zeigte, was das Wesen eines Rollenspiels ändern kann – aber dafür, was es eigentlich ausmachen sollte.
Planescape: Torment (Interplay, 1999) – Rollenspiel-Exot mit überaus dichter Atmosphäre und bizarrem Setting.
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Lassen sich die meisten elektronischen Musikproduktionen gut klassifizieren, gibt es seit jeher welche, die Hilflosigkeit hervorrufen, wenn Kataloge befüllt oder Metadaten verwaltet werden müssen. Es sind die klanglichen Werke, die sich ganz im Sinne des Eklektizismus bei mehreren Stilen, Ideologien und früheren Epochen bedienen. Um daraus wiederum etwas Neues zu erschaffen. Man findet sie heute unter Bezeichnern wie „Electronica”, „Abstract” oder IDM (Intelligent Dance Music). Wobei der Begriff „intelligente Tanzmusik” eigentlich Banane ist – ist es ja gerade die Art von elektronischer Musik, die weniger für die Tanzfläche erschaffen wurde. Auch drängt sich die Frage auf, ob mit „intelligent” die Musik an sich, der Produzent – oder vielleicht sogar die Hörer gemeint sind? Wie auch immer. Da ich kein Freund von Schubladen bin, aber durch und durch pragmatisch, belasse ich es bei IDM und widme mich den Exoten damaliger elektronischer Tanzmusik, die weniger zum kollektiven Rumzappeln animierten. Dafür den Geist ansprachen. Und daneben vielleicht noch heute die eine oder andere unerwartete Wirkung mit sich bringen.
Retrogressive Sessions 2023.23 – 10-jähriger Jubiläumsmix, der sich IDM und Electro der Neunziger widmet.
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Dirk am 23. Juni 2023
War es früher Ehrensache, sich am Mittagstisch an einer selber zubereiteten Mahlzeit zu erfreuen, schaut es heute oft anders aus. Fertiggerichte sind gefragt. Und das seit mehr als 60 Jahren. Inzwischen geht der Trend zwar zu höherwertiger „Bequemnahrung”, die nicht mehr den Industriegeruch von pampigem Tiefkühlfraß der Siebziger und Achtziger mit sich bringt. Dennoch: Es ist nicht alles Gold, was glänzend verpackt ist. Und Kochen kann man sehr wohl auch selber in die Hand nehmen. Längst nicht so schwierig, wie manche denken mögen. Man braucht auch kein Hochschuldiplom, um mit wenig Zeit- und Geldeinsatz ein Essen zu servieren, das seinen Namen verdient. Vermutlich sind es weniger die zwei linken Hände zum Halten des Kochlöffels, die Leute davon abhalten, sondern eher der Mangel an Lust und Zeit. Kombiniert mit der fixen Überzeugung, dass Konfektioniertes gleichwertig sei. Dabei verbringt man im Schnitt mehr als drei Jahre seines Lebens mit der Nahrungsaufnahme. Und die Hälfte davon dann nochmal auf der Keramik. Klingt doch nach einem Grund, diesem täglichen Ritual auch die angemessene Hingabe zu widmen.
Selber Kochen mit zeitlosem Geschirr. Schwedische Gusseisenpfannen von Skeppshult (links) sowie eine Grillpfanne von Carl Victor (rechts). Beide Pfannen haben eine Herstellergarantie von 25 Jahren. Die man aber nie in Anspruch nehmen wird.
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Dirk am 24. Dezember 2022
Ob sich Buddha tatsächlich nur von Hanfsamen ernährte, Shakespeare eine verdächtige Tonpfeife gepafft hat oder irgendein Tropf von der Tüte zur Spritze umstieg – das Thema Cannabis polarisiert. Und kommt, was den THC-haltigen Konsum betrifft, seit jeher mit einer ganzen Reihe an Pro- und Kontra-Argumenten einher. Die aus dem einen oder anderen Lager regelmäßig aufploppen. Am besten sollte man sie alle auf OCB-Blättchen drucken und anschließend rauchen. Dann hätte man sie wenigstens schnell wieder vergessen. Oder würde die inbegriffene Sinnlosigkeit zumindest erahnen. Und könnte dieses Hickhack auf einen simplen Satz herunterbrechen: Ist keine Affinität vorhanden, fällt Ablehnung leicht – und ist sie da, wird Missbilligung kein Hinderungsgrund sein. So wusste ich vor fast 30 Jahren, dass ich mit dieser uralten Droge eine längere Verbindung eingehen werde. Die einen Großteil meiner späten Jugend (im wahrsten Sinne des Wortes) durch die Pfeife ziehen wird. Eine Zeit mit vielen unvergleichlichen, absurden als auch mystischen Momenten. Mit der ältesten Kulturpflanze im Gepäck – weltentrückt und verraucht, auf vertrauten und auf weniger bekannten Pfaden unterwegs.
Meine kompakte Wasserpfeife von „Bam Bam Bhole“ (Baujahr 1994), die noch immer existiert. Und mit der in den Neunzigern gefühlt eine ganze Monatsernte des Marokkanischen Rif-Gebirges verdampft wurde.
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Dirk am 27. Oktober 2022
Von allen Videospielkonsolen, die mich im Leben begleitet haben, gibt es nur ein paar wenige, zu denen auch so etwas wie eine tiefere Bindung aufgebaut wurde. Die meisten waren für mich Gebrauchsgegenstände, die kamen und irgendwann wieder gingen. Jede Konsole hatte freilich ihren Reiz, ihre starken und ihre schwachen Seiten. Sowie immer eine Handvoll Games, die ihr Geld durchaus wert waren. Und dann gab es das SNES (Super Nintendo Entertainment System), welches genau in die goldene Zeit später Jugend fiel. Und allein deshalb schon gute Karten als Anwärter zum Kultgerät hat. Aber da war rückblickend noch mehr. Ein Zusammenspiel gut abgestimmter Technik, Robustheit und eine überragend große Anzahl an einzigartigen Spielen. Viele davon faszinieren mich noch heute. Und beweisen, dass auch mit relativ wenig Aufwand viel Spielspaß möglich war. Also, Staub wegpusten, einschalten und ab in die Zeit der Steckmodule, 2D-Sprites und unverwüstlichen Kabelcontroller.
Mein Super Nintendo Entertainment System (SNES) mit dem Repro-Modul „Secret of Mana 2“
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Dirk am 26. Juni 2022
Wenn es neben Comics, BMX und Computerspielen etwas gab, das meine Kindheit und Jugend wie nichts anderes prägte, dann war es die Zeit im Kleingarten. So ein autonomer Garten hat in unserer Ahnentafel Tradition. Nicht nur die Urgroßeltern hatten einen, auch die Großeltern beackerten fast ihr gesamtes Leben ihr eigenes „Lande“. Wo dann später auch meine ersten Lebensjahre begannen. Und um 1982 entschlossen sich die Eltern, sich ebenfalls eine Parzelle zuzulegen. Die von uns über zehn Jahre als Hobby- und Erholungsort genutzt wurde. Solche auch als Schrebergärten bezeichneten Orte sind als Raststätte auf der Strecke des Alltags nicht zu unterschätzen. Und wer vorhat, sein eigenes Grundstück im Grünen zu bewirtschaften, kann sich glücklich schätzen. Damals wie heute. Besonders wenn man nur das Stadtleben kennt, vielleicht noch in einer dieser Betonsiedlungen wohnt. Denn Kleingärten dienen nicht nur zur Selbstverwirklichung und dem Anbau von Obst und Gemüse, sie haben auch viele versteckte Werte, die einen erst im fortgeschrittenen Alter richtig bewusst werden.
Der Kleingartenverein „Gute Ernte“ e. V. in Bremen Horn-Lehe. Eine natürliche Oase inmitten einer Stadt.
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Dirk am 24. Februar 2022
Erwähnt man heutzutage irgendwo noch „Cheech & Chong“, erntet man skeptische Blicke und muss sich fragen lassen, ob man vom Asia-Lieferdienst spricht. Die beiden Komödianten Tommy Chong und Cheech Marin sind inzwischen wohl ziemlich in Vergessenheit geraten. Dabei waren sie in den Achtzigern überaus bekannt. Angefangen als umhertingelndes Comedy-Duo, veröffentlichten sie nebenbei ein paar Platten und tauchten hier und dort in Low-Budget-Filmen auf. Mit ihrem ersten Film „Up in Smoke“ (1978) wurden sie dann auch hierzulande als schmarotzende Taugenichtse Cheech und Chong populär, die ihren Alltag mit Dummheiten, Rumgammeln und Tütendrehen verbringen. Ihren zweiten Film, den sie pragmatisch „Next Movie“ (1980) nannten, und der hierzulande als „Noch mehr Rauch um überhaupt nichts“ veröffentlicht wurde, habe ich mir vor fast 30 Jahren regelmäßig auf VHS reingezogen. So war es mir eine große Freude, dieses Relikt der späten Jugend erneut auf DVD zu bekommen. Und wie immer fragte ich mich, ob der Streifen auch heute noch so knallt wie damals – oder doch nur alles viel Rauch um nichts war?
Cheech und Chong’s Next Movie – Noch mehr Rauch um überhaupt nichts
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Wenn man in diesen Zeiten versehentlich in das hineintritt, was als populäre Musik hier und dort vor sich hindudelt, fragt man sich schon, auf welchem Planeten man gerade gelandet ist. Ist das der musikalische Fortschritt, der in den letzten vierzig Jahren reifen sollte? Falls ja, ging etwas mächtig schief. Andererseits, die Charts sind ja schon lange nicht mehr der Maßstab für musikalische Originalität und Innovation. Eher ein Spiegelbild eines befremdlichen Zeitgeistes. Wie sonst ließe sich diese aufgedunsene Plastikmusik mit Deprifärbung erklären? … War das damals denn so viel anders? Ja, war es. Sicher, alberne Musik spielte auch das Radio der Achtziger zuhauf, da machen wir uns nichts vor. Nur verbargen sich damals unter dem Sammelbegriff Popmusik nicht nur leblose Wegwerfprodukte, sondern auch Originalität, Innovation und vor allem Coolness. Und es war Musik, die oft auch die nötige Portion Schmutz mitbrachte und den Hörer nicht mit Samthandschuhen in eine sedierte Ersatzwelt schickte. Und in diese Zeit geht es nun zurück. In ein spannendes Jahrzehnt voller Subkultur. Als die Musikwelt nicht nur von Synthesizern einmal komplett umgekrempelt wurde.
Synth-Pop Musiker und Produzenten der Achtziger: Trevor Horn, Laura Branigan, Mark Hollis, Sandra und Paul Hardcastle.
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Dirk am 5. September 2021
Sind Plattformspiele heutzutage eher ein Nischenprodukt, so waren sie in den Achtzigern überaus populär. Nicht umsonst zählt „Super Mario Bros.“ (1985) zu den einflussreichsten Videospielen aller Zeiten. Und Mario hatte bereits seinen ersten Auftritt als hüpfender Klempner in „Donkey Kong“ (1982), das als Urvater des Genres der „Jump ’n‘ Run“-Spiele gilt. Mit Dead Zone erschien ein paar Jahre später ein mysteriöses Low-Budget-Spiel für den C64, das mich gleichzeitig frustrierte wie faszinierte. Und welches durch das bizarre Setting der Welt von Mario in nichts nachstand und meine Fantasie beflügelte. Fast drei Jahrzehnte später habe ich mir nun vorgenommen, dieses uralte Stück Software neu zu entdecken und herauszufinden, ob die Faszination von damals auch heute noch wirkt. Oder vielleicht alles doch nur heiße Luft war.
Dead Zone (1987) – Low-Budget-Spiel mit einigen Besonderheiten
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Deutsche Innenstädte veröden zusehends. So sagt man zumindest. In meiner rheinhessischen Wahlheimat kann ich keine Vergleiche zu früher ziehen, doch in der Heimatstadt Bremen fällt es bei jedem Besuch erneut auf, wie trostlos, verlassen und eintönig einige Ecken der Innenstadt geworden sind. Und das nicht erst seit der Pandemie und den gewachsenen Leerständen. Das Sterben der großen Kaufhäuser begann bereits vor drei Jahrzehnten. Und seitdem hat sich vieles verändert. Zeitgeist, Konsumverhalten und auch die Bedeutung einer Innenstadt. Damals war ein Bummel „in die Stadt“ für mich noch mehr als nur der notwendige Einkauf. Seit der frühen Kindheit war es ein Erlebnis, das ich mit vielen weiteren Eindrücken verknüpfte. Und in die Achtziger und Neunziger geht es nun zurück. In eine Zeit, wo die Geschäfte in der City noch um 18:30 Uhr schließen mussten – und am Samstag sogar schon am frühen Mittag.
Die Sögestraße. Bremer Einkaufspassage, die der bronzene Schweinehirt mit seiner Herde einläutet.
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Hallo Dirk, geil Dein Artikel. Ich denke als Kind der 70er auch noch immer gerne z.B. an Follow Me im Karstadt zurück. Mal in Platten reinhören oder …
Das war die Linie 59 ! Gelsenkirchener Str. - Wertkauf und retour.
Was für ein schöner Artikel. Danke sehr. Gerne möchte ich an zwei Urgesteine erinnern, die wohl nur kennt, wer so Bremen- und detailverliebt ist, dass …
Hallo zusammen, Bin nach vielen vielen Jahren auch wieder auf den Meisterdieb gestoßen. Es hat sehr starke Gefühle und erinnerung bei meinen besten …
Im Bezug auf mein vorheriges Kommentar: Nicht Michel Suck sondern Matthias Siegk. Ich verwechsel die Namen auch nach 30 Jahren noch 😂
Gut geschrieben, wobei man noch auf die Zeit hätte eingehen können als Michael Suck als Chefred zugange war. Der brachte seine eigene Ära und einen …
Habe vor paar Jahren Real Ihlpol, fotografiert, vor dem Umbau (noch unter real) bei den kitschigen Familienplakaten musste ich grinsen, was bei real auch …
Ich bin froh, dass die Videotheken verschwunden sind. Die haben die Innenstädte verschandelt. Der Handel wird in 30 Jahren fast vollständig online sein …